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Lehren aus 70 Jahren deutscher Aktien

 Lehren aus 70 Jahren deutscher Aktien  

Die Stimmung an den Aktienmärkten hat sich zuletzt etwas verbessert. Die Volatilität bleibt aber hoch. Kann man dabei Honig aus der Geschichte saugen?

  • Wider dem Pessimismus bei Aktien: Über die lange Frist ist die Rendite von Aktien trotz aller Krisen unschlagbar.

  • Die Entwicklung zeigt aber, dass sie nur etwas für Anleger sind, die wirklich lang­fristig denken.

  • Aktien müssen auch nicht immer Top sein. Ein Alternativ-Szenario.

Aktien sind in Misskredit geraten. Jahrelang wurden sie als einzig sinnvolle Anlage in Zeiten niedriger Zinsen gepriesen. Nur mit ihnen könne man noch eine akzeptable Rendite er­zielen. Und dann stürzten sie im letzten Jahr plötzlich ab. In Deutschland verloren Anleger im Laufe des letzten Jahres 18 %. Das Debakel war weltweit. In den USA ging der S&P 500 um 8 % zurück, der SMI in der Schweiz verringerte sich um 10 %, der österreichische ATX um 19 %. Mit Omas viel­geschmähtem Sparbuch wäre man in jedem Fall besser dran gewesen. Das kann man nicht mehr als Betriebsunfall hinnehmen.

In der letzten Woche hat es zwar leichte Stabilisierungsten­denzen gegeben. Die Stimmung hat sich etwas aufgehellt. Aber es sind nur ganz wenige Mutige, die meinen, die Krise sei schon vorbei. Nach wie vor ist die Konjunktur in Deutsch­land und Europa schwach. Die großen Risiken im Zusammenhang mit dem amerikanisch-chinesischen Han­delskonflikt, dem Brexit und den Zinserhöhungen in den USA bestehen fort.Lehren-aus-70-Jahren-deutscher-Aktien-Kommentar-Martin-Hüfner-GodmodeTrader.de-1

Wir kommen daher nicht darum herum, die auf Aktien ba­sierende Anlagestrategie grundsätzlich in Frage zu stellen. Ich habe mir dazu einmal die ganz langfristige Entwicklung der Kurse angeschaut. Die Bundesbank veröffentlicht den DAX seit 1988. Mit Zahlen des Deutschen Aktieninstitutes kann man die Zeitreihe um 40 Jahre bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges zurückverfolgen. In der Grafik ist der Index in logarithmischem Maßstab dargestellt, um damit die relativen Veränderungen im Zeitablauf deutlicher hervortre­ten zu lassen.

Das Ergebnis hat mich überrascht. Es zeigt den DAX als eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Das hätte ich mir so nicht vorstellen können.

Aktien sind aus statistischer Betrachtung für die Geldanlage ein verlässlicher Kumpan.

Drei Schlussfolgerungen lassen sich daraus ziehen.

Ers­tens und das Wichtigste: Aktien sind trotz allem Pessimis­mus die beste Anlage auf den Finanzmärkten. Mit wenigen kurzfristigen Ausnahmen gingen die Kurse über den gesam­ten Zeitraum nach oben. Wer unmittelbar nach der deut­schen Währungsreform DM 100 beiseite legen konnte (das war damals zugegebenermaßen viel Geld) und in den Ak­tienindex anlegte, besitzt heute ohne zusätzliche Ersparnis ein Vermögen von EUR 70.000. Jahr für Jahr hat sich das Kapital um knapp 11 % p. a. vermehrt. Dabei sind die "Dür­re­perioden" und die Rückschläge zum Beispiel in der New Economy-Krise oder der großen Finanzkrise eingerechnet. Mit Gold konnte man seit dem Zweiten Weltkrieg trotz des Riesensprunges mit der Freigabe des Goldpreises Anfang der 70er Jahre nicht annähernd so viel erzielen.

Aktien sind also aus dieser rein statistischen Betrachtung für die Geldanlage ein verlässlicher Kumpan. Wenn die Welt nicht zusammenstürzt (dann haben wir aber andere Proble­me) kann man ihnen sein Geld anvertrauen.

Zweitens aber und das ist der Wermutstropfen: Aktien sind – das wurde in der Vergangenheit vielleicht nicht immer ausreichend beachtet – wirklich nur für die Langfristanlage geeignet. Bei aller Euphorie darf man nicht die temporären Einbrüche übersehen. In den großen Krisen 1987, 2000 bis 2004 und 2007/2008 gingen die Kurse jeweils um über 50 % zurück. Anleger verloren über die Hälfte des Vermö­gens. Wer Anfang 2000 den DAX kaufte, hatte erst sieben Jahre später die Verluste aufgeholt. Ein Jahr später verlor er dann erneut wieder 50 %. Sicher waren das außerge­wöhnliche Zeiten, die sich nicht so schnell wiederholen.Trotzdem kann man es niemandem verübeln, wenn er bei solchen Schwankungen an der Rationalität der Aktienan­lage zweifelt. Ich bin sicher, dass es nach dem jüngsten Einbruch der Kurse wieder nach oben gehen wird. Aber das Ausgangs­niveau von vor einem Jahr wird in diesem Jahr kaum wieder erreicht werden. Also Finger weg von Aktien, wenn man nur an die nächsten fünf oder zehn Jahre denkt.

Drittens, auch unabhängig von Krisen gab es Zeiten, in denen sich Aktien nicht so gut wie andere Anlagen entwi­ckelten. Das war in den 60er und 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts der Fall. In dieser Zeit konnte man über 20 Jahre mit den Kupons von Festverzinslichen Wertpa­pieren eine Rendite von 4 % p. a. erzielen, verglichen mit durch­schnittlichen Kurssteigerungen von gerade einmal 1 % p. a. bei Aktien. Aktien sind also nicht immer Top. Ich wäre nicht überrascht, wenn wir das in Zukunft wieder einmal er­leben.

Es ist nicht ganz leicht, die Gründe für die schwächere Ak­tienentwicklung in den 60er und 70er Jahren auszumachen. Denn wirtschaftlich ging es Deutschland in dieser Zeit gar nicht schlecht. Sicher spielte die Ernüchterung nach der bombastischen Entwicklung in der Wiederaufbauzeit in den 50er Jahren eine Rolle. Jeder wusste, dass das so nicht weitergehen konnte. Der Bau der Berliner Mauer 1961 ver­schreckte internationale Investoren. Mitte der 70er Jahre führte die Vervielfachung des Ölpreises zur ersten globalen Weltrezession. Es gab große gesellschaftliche Umwälzun­gen mit dem Entstehen der außerparlamentarischen Oppo­sition. Wer in dieser Zeit in Deutschland aufgewachsen ist, hat ein bisschen Skepsis gegenüber Aktien mit der Mutter­milch aufgesogen. So etwas lässt sich schwer überwinden.

Für den Anleger bleibt derzeit die hohe Volatilität an den Aktienmärkten das dominierende Thema. Selbst wenn die Kurse in diesem Jahr auch mal wieder nach oben gehen werden, sind die Schwankungen nach wie vor hoch. Absicherung ist daher das wichtigste Thema. Das ändert aber nichts daran, dass Aktien bei langfristiger Betrachtung eine hervorragende An­lageklasse sind. Man muss sie aber richtig anwenden und darf sie vor allem nicht überschätzen. Sie sind vor allem für sehr langfristig orientierte Investoren geeignet. Es gibt zu­dem kein Naturgesetz, dass die Renditen immer höher sind als die von anderen Anlagen.

Anmerkungen oder Anregungen? Ich freue mich auf den Dialog mit Ihnen: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!.

Dr. Martin W. Hüfner, Chefvolkswirt von Assenagon Asset Management S.A.

 

 

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